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Es ist weder witzig, noch intelligent, sondern schlicht unlauter und manchmal sogar kriminell. Es gibt schwarze Schafe, die nicht davor zurückschrecken, Werkstätten, Mietwagenfirmen, Sachverständige und sogar Anwälte zu unlauteren Praktiken anzustiften. Da werden „Schadenteams“ gebildet (der Name spricht bereits Bände), die vorgeben, einem Geschädigten die lästige, aber notwendige Arbeit bei einer Unfallabwicklung abzunehmen. Hierfür werden technische Plattformen programmiert, über die die Unfallregulierung von Anfang bis Ende abläuft und an die die beteiligten „Unfallhelfer“, z.B. Sachverständige und Reparaturfirmen „angeschlossen“ werden. Geködert werden die Reparaturfirmen und Werkstätten, indem ihnen pro eingestellten Fall Provisionen versprochen und auch gezahlt werden. Diese Gelder wiederum kommen teilweise von Sachverständigen oder auch Anwälten, die als Belohnung dann die eingestellten Schäden begutachten bzw. die Unfälle abwickeln dürfen. Die beteiligten Gutachter wiederum sind dann notwendigerweise gezwungen, die eigenen Kosten „aufzublähen“, um sich dadurch zu refinanzieren. Dies geschieht vor allem über die in den letzten Jahren exorbitant gestiegenen Nebenkosten, von denen in reger Fantasie ständig neue kreiert werden. Auch den Reparaturfirmen wird als zusätzlicher Bonus nahe gelegt, neue Kostenpositionen zu erfinden, die einem normalen Kunden, der die Reparaturen selbst bezahlen müsste, niemals in Rechnung gestellt werden würden. Da gibt es plötzlich Kosten einer Probefahrt, die sonst zu den kalkulierten Gemeinkosten gehören, einer Fahrzeugreinigung, die jeder normale Kunde der Werkstatt als Service erhält oder Kosten einer Ersatzteilentsorgung, die nach geltender Rechtslage von den Werkstätten zu tragen und insoweit ebenfalls in ihren allgemeinen Kosten zu kalkulieren sind. Da werden Zuschläge auf Ersatzteile erhoben, deren Sinn es einmal war, die Lagerkosten betriebswirtschaftlich abzudecken. Kaum eine größere Werkstatt unterhält heutzutage aber noch ein Ersatzteillager. Die Ersatzteile, die zu einer Reparatur benötigt werden, werden vielmehr „just in time“ geliefert, wenn sie benötigt werden. Dessen ungeachtet werden diese Kosten von einstmals 5 % auf mittlerweile über 20 % getrieben. Es werden exorbitante Kosten für die Verbringung eines Fahrzeugs in eine externe Lackierwerkstatt berechnet, obwohl viele Lackierbetriebe aus Wettbewerbsgründen die Verbringung selbst durchführen und den Reparaturwerkstätten diese nicht nur nicht in Rechnung stellen, sondern sogar noch Rabatte auf die Lackierung gewähren, die aber weder an den Kunden, und schon gar nicht an den eintrittspflichtigen Haftpflichtversicherer weitergegeben werden.

Neuestes Beispiel ist der Preisaufschlag auf fremd vergebene Lackierarbeiten! Darauf muss man erst einmal kommen! Das AG Mühlhausen (Urteil vom 4.1.2018 – 3 C 379/17) sah sich mit dieser neuen Optimierungsidee eines Autohauses konfrontiert, welches den Aufschlag von 10 % auf die Lackierkosten mit etwaigen Gewährleistungsansprüchen des Kunden sowie der Üblichkeit von UPE-Aufschlägen rechtfertigen wollte. Das Amtsgericht ging da aber nicht mit. Im Urteil heißt es dazu:

„Soweit die Klägerin einen Aufschlag auf die Lackierkosten in Höhe von 2608,34 Euro geltend macht und weitere 10 %, mithin 269,80 Euro fordert, vermag das Gericht eine Anspruchsgrundlage nicht zu erkennen. Die Lackierarbeiten hat die Klägerin nicht selbst durchgeführt, sondern an ein Drittunternehmen vergeben. Die dort entstandenen Kosten belaufen sich auf 2608,34 Euro. Diese Kosten sind tatsächlich angefallen und nach § 249 BGB erstattungsfähig. Ein Aufschlag der Klägerin von 10 % aufgrund des durch die Fremdvergabe entstandenen Haftungsrisikos ist hingegen nicht als unfallkausaler Schaden einzustufen und auch unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt erstattungsfähig. Dieses Haftungsrisiko stellt ein normales Risiko der Klägerin als Unternehmerin dar. Das Risiko, bei Fremdvergabe eines Auftrags insoweit Gewährleistungsansprüchen ausgesetzt zu sein, begründet keinen Anspruch auf zusätzliche Erstattung dieses Risikos.“

Das deutsche Schadensrecht soll einem Geschädigten den vollen Ausgleich seiner finanziellen unfallbedingten Defizite garantieren. Er soll wirtschaftlich nach dem Unfall nicht schlechter gestellt sein, als vorher. Er soll sich aber keinesfalls an einem Unfall bereichern dürfen. Es bleibt natürlich nicht aus, sondern liegt in der Natur der Sache, dass die Firmen, die den Unfallschaden zu beseitigen haben, ein Geschäft daraus machen. Dies ist völlig legitim. Selbstverständlich muss die Reparaturfirma die Kosten für die Instandsetzung des verunfallten Fahrzeugs erhalten und darin selbstverständlich auch einen Gewinnanteil. Gleiches gilt für die Begutachtung des Fahrzeugs durch einen Sachverständigen, für die Bereitstellung eines Mietwagens oder auch für die Dienstleistung eines Rechtsanwalts. In den meisten Fällen geschieht dies auch ordnungsgemäß und es soll hier ausdrücklich nicht der Eindruck erweckt werden, dass die gesamte Branche korrupt oder kriminell ist. Es gibt aber leider die oben geschilderten bedenklichen Entwicklungen, die nicht mehr vertretbar und tolerierbar sind. Und daher ist es andererseits auch völlig legitim, dass sich Versicherer dagegen wehren.

Wir alle sind Fahrzeugführer. Wir alle benötigten dazu eine Pflichtversicherung. Wir alle tragen die Kosten, die dadurch steigen, dass die Schadenersatzleistungen (zu Recht oder Unrecht) aufgebläht werden. Dem Amtsgericht Mühlhausen ist zuzustimmen und es bleibt zu hoffen, dass die erkennenden Gerichte den eingangs geschilderten Background, den viele Unfälle heute haben, im Blick behalten und zunehmend sensibilisierter dafür werden, welche Leistungen zu einer Schadensbeseitigung erforderlich sind und welche nicht. Es sind meist nur wenige und immer dieselben Firmen, die solche Kreativität an den Tag legen und die sich auch nicht scheuen, ggf. 30,00 € für die angeblich erforderliche Probefahrt einzuklagen. Es sollte nie vergessen werden, dass weniger als 2 % aller Unfälle vor Gericht landen, also 98 % ohne Hilfe eines Gerichts abgewickelt werden! Darunter sind auch alle Verfahren, bei denen es um den Haftungsgrund, also die Verursachung oder um echte Probleme des Schadensumfangs geht. Wenn es dann immer wieder einige Firmen gibt, die meinen, sie müssten zulasten der Versichertengemeinschaft mit den eingangs genannten Methoden ihren Gewinn optimieren, sollte dies eigentlich auch ein Gericht nachdenklich stimmen, ob das, was man da begehrt, wirklich notwendig und erforderlich ist, wenn die weit überwiegende Mehrzahl der anderen Firmen derartiges nicht begehrt.

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