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Bisher konnte dies leider ohne weiteres passieren! Ein Mandant von mir bekam jetzt, nach mehr als 3 Jahren, die Auflage, eine MPU beizubringen! Im Jahre 2019 wurde er auf einem Fahrrad mit einer Blutalkoholkonzentration von knapp 1,8 Promille erwischt. Im Strafverfahren konnte ihm keine Fahrerlaubnis entzogen werden, weil er keine hatte und auch keine Absicht hegte, eine solche zu erwerben. Also drohte ihm die Führerscheinstelle mit, dass man ihm untersagen würde, ein Fahrrad im öffentlichen Verkehr zu führen. Rechtsgrundlage hierfür ist § 3 FeV, die ohne Differenzierung auf die schwerwiegenden §§ 11- 14 FeV verweist, die für die Fahreignung bei Erteilung von Fahrerlaubnissen für Kraftfahrzeuge u.a. bezüglich Alkohol- und Drogenvorkommnisse gelten.

Erste Zweifel, ob das so OK ist, meldete das Bundesverwaltungsgericht an, indem es ausführte:

„Näherer Überprüfung bedürfte aus Sicht des erkennenden Senats zudem, inwieweit es mit Blick auf das gegenüber Kraftfahrzeugen in der Regel geringere Gefährdungspotenzial des Führens fahrerlaubnisfreier Fahrzeuge mit den Anforderungen des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes vereinbar ist, wenn § 3 Abs. 2 FeV für die Klärung von Eignungszweifeln ohne weitere Differenzierung umfassend auf die strengen Anforderungen der §§ 11 ff. FeV verweist, die auf die Prüfung der Eignung und Befähigung zum Führen von Kraftfahrzeugen ausgerichtet sind. Aufgeworfen ist damit zugleich die Frage, inwieweit bestehenden Unterschieden im Rahmen der vorgegebenen entsprechenden Anwendung der §§ 11 ff. FeV Rechnung getragen werden kann und, ob und inwieweit die §§ 11 ff. FeV auch im Verfahren zur Aufhebung eines Verbots, fahrerlaubnisfreie Fahrzeuge zu führen, anzuwenden sind.

Eine Gesamtschau ergibt: Das Straßenverkehrsgesetz und die Fahrerlaubnis-Verordnung regeln das Verbot, fahrerlaubnisfreie Fahrzeuge zu führen, nur punktuell. Die vorhandenen Regelungen werfen eine Reihe von Auslegungsfragen auf, auch solche des Verfassungsrechts. Aus Sicht des Senats sind in erster Linie der Gesetz- und der Verordnungsgeber berufen, für Klarheit zu sorgen. Die Teilnahme am Straßenverkehr mit fahrerlaubnisfreien Fahrzeugen, insbesondere mit dem Fahrrad, kann für die private Lebensgestaltung des Einzelnen von erheblicher Bedeutung sein.“

(BVerwG, Urteil vom 4. Dezember 2020 – 3 C 5/20 –, BVerwGE 171, 1-17, Rn. 38/39)

Ein Verwaltungsgericht entschied:

§ 3 FeV regelt die Anforderungen an die Eignung zum Führen von fahrerlaubnisfreien Fahrzeugen nicht hinreichend bestimmt und kann daher als Rechtsgrundlage für behördliche Untersagungen nicht herangezogen werden.

(Bayerischer Verwaltungsgerichtshof, Urteil vom 17. April 2023 – 11 BV 22.1234 –, juris = DAR 2023, 469).

Diese Thematik ist auch beim diesjährigen 61. Deutschen Verkehrsgerichtstag in Goslar diskutiert worden. In dem entsprechenden Arbeitskreis V habe ich selbst mitgearbeitet. Es wurde folgende abschließende Erklärung und Empfehlung formuliert:

„Die Anforderungen an die Fahreignung für fahrerlaubnisfreie Fahrzeuge und die möglichen Maßnahmen der Fahrerlaubnisbehörde bei Ungeeignetheit sind nicht hinreichend klar geregelt. Der Arbeitskreis schließt sich der Aufforderung des Bundesverwaltungsgerichts in seinem Urteil vom 4. Dezember 2020 (3 C 5.20) an, der Gesetz- und Verordnungsgeber möge hier für Klarheit sorgen.“

Es bleibt also spannend und vielleicht geht der bittere Kelch an meinem Mandanten vorüber.

Bild von Gudrun auf Pixabay