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Bei einem Verkehrsunfall kommt es in aller Regel zu einer Abwägung von Verursachungsbeiträgen, wenn mehrere Fahrzeuge beteiligt sind. Dies geschieht auf der Grundlage der §§ 9, 17, 18 StVG, 254 BGB, je nach Beteiligung der einzelnen Verkehrsteilnehmer.

Eine Haftung entfällt allerdings gänzlich, wenn der Unfall für den Halter/Fahrer eines Kraftfahrzeugs unabwendbar gewesen ist (§ 17 Abs. 3 StVG) oder wenn gar höhere Gewalt im Spiel ist (§ 7 Abs. 2 StVG).

Schon der Nachweis eines unabwendbaren Ereignisses ist in aller Regel kaum zu führen, von völlig eindeutigen Sachverhalten einmal abgesehen (z.B. einem Auffahrunfall auf ein stehendes Fahrzeug). So gut wie ausgeschlossen ist es allerdings, sich auf höhere Gewalt zu berufen. Offenbar wird es trotzdem ab und zu einmal versucht. Das OLG Schleswig hatte jüngst einen solchen Fall zu entscheiden (OLG Schleswig, Beschluss vom 1.11.2017 – 7 W 39/17, r+s 2018, 153). Dem lag folgender Fall zugrunde:

Auf einer Kreuzung kam es zu einer Kollision zweier Kraftfahrzeuge. Der Versicherungsnehmer der beklagten Versicherung fuhr bei grünem Licht korrekt in die Kreuzung ein und kollidierte dort mit einem Fahrzeug, dessen Fahrerin das für sie geltende Rotlicht missachtete. Trotz Gefahrenbremsung war ein Frontalzusammenstoß beider Fahrzeuge nicht mehr zu vermeiden, wobei das bei der Beklagten versicherte Fahrzeug gegen den Ampelmast der Klägerin geschleudert wurde. An der Ampel entstand ein Sachschaden in Höhe von ca. 6000,00 €. Die beklagte Versicherung hatte sich darauf berufen, dass der Unfall für das bei ihr versicherte schleudernde Fahrzeug auf höherer Gewalt beruhte. Dies sah das Landgericht und auch das Oberlandesgericht anders. Das OLG Schleswig führte in der besagten Entscheidung folgendes aus:

„Höhere Gewalt ist ein außergewöhnliches, betriebsfremdes, von außen durch elementare Naturkräfte oder durch Handlungen dritter (betriebsfremder) Personen herbeigeführtes und nach menschlicher Einsicht und Erfahrung unvorhersehbares Ereignis, das mit wirtschaftlich erträglichen Mitteln auch durch nach den Umständen äußerste, vernünftigerweise zu erwartende Sorgfalt nicht verhütet werden kann und das auch nicht im Hinblick auf seine Häufigkeit in Kauf genommen zu werden braucht … Kürzer ausgedrückt: Es muss sich um eine Einwirkung von außen handeln, die außergewöhnlich und nicht abwendbar ist. Alle drei Voraussetzungen müssen erfüllt sein, wenn höhere Gewalt vorliegen soll … Hier fehlt es bereits an einem von außen kommenden, betriebsfremden Ereignis. Vielmehr handelte es sich bei dem Unfall um die Realisierung eines typischen Betriebsrisikos im Kraftfahrzeugverkehr, nämlich um die Kollision zweier Fahrzeuge im Kreuzungsbereich zweier Straßen. Dabei ist unerheblich, dass die Zeugin K die Kollision nicht verursacht hat. …“

Und weiter:

„Es fehlt auch an dem erforderlichen Ausnahmecharakter des Unfallgeschehens. Diese setzt nach der Rechtsprechung. voraus, dass die betriebsfremde Einwirkung einem Elementarereignis im Sinne eines Schicksalsschlages vergleichbar sein muss. Deshalb scheiden Ereignisse als höhere Gewalt aus, die sich nicht selten ereignen, auf die sich der Halter einrichten kann und die demgemäß mit dem Betrieb des Fahrzeugs und dessen Gefahren in Zusammenhang stehen …. Hier hat sich das typische Betriebsrisiko der Teilnahme eines Pkws am Straßenverkehr realisiert. Unerheblich ist, dass die Fahrerin des bei der Beklagten versicherten Fahrzeugs den Unfall nicht verschuldet hat. Nahezu täglich passieren im Straßenverkehr Rotlichtverstöße mit Schadensfolgen. Das Fehlverhalten anderer Verkehrsteilnehmer im Straßenverkehr ist nicht außergewöhnlich. Allein durch den Betrieb eines Kraftfahrzeugs im Straßenverkehr werden abstrakte Gefahren geschaffen, für die der Fahrzeughalter gemäß § 7 Abs. 1 StVG – verschuldensunabhängig – einzustehen hat. Es kommt nicht darauf an, ob der Kollision des bei der Beklagten haftpflichtversicherten Fahrzeugs ein „willensgesteuertes Verhalten“ der Fahrerin K zugrunde lag oder nicht. Es ist anerkannt, dass sogar parkende Kraftfahrzeuge eine Haftung des Halters nach § 7 Abs. 1 StVG auslösen können, solange sie den Verkehr irgendwie beeinflussen können. …“

Die Rechtsverteidigung der beklagten Versicherung konnte daher keinen Erfolg haben. Auch der weitere Ausschlussgrund (unabwendbares Ereignis) konnte ihr nicht zum Erfolg verhelfen. Denn die Klägerin als Eigentümerin des Ampelmastes musste sich diesen Ausschlussgrund nicht entgegenhalten lassen. Sie hatte nicht für eine mitwirkende Betriebsgefahr einzustehen. Der Ausschlussgrund des unabwendbaren Ereignisses besteht nur zwischen Haltern von Kraftfahrzeugen.

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